Andreas Disselnkötter (Hg.) Wüstenstürme

Andreas Disselnkötter (Hg.) Wüstenstürme
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DISS - Backlist Der Kalte Krieg ist vorbei. Lokale Heiße Kriege haben die Staaten der... mehr
"Andreas Disselnkötter (Hg.) Wüstenstürme"

DISS - Backlist

Der Kalte Krieg ist vorbei. Lokale Heiße Kriege haben die Staaten der sieben führenden Industrienationen ihre Außen- und Sicherheitspolitik und ihre Armeen umorientieren und umstrukturieren lassen.
Dabei setzt sich zunehmend eine Strategie durch, die Konflikte durch den selektiven Einsatz von Kampftruppen 'vor Ort' in den 'Griff' bekommen will.

Die Beiträge zeigen die Entwicklung und Tendenzen in den militärpolitischen Rahmenplanungen des 'Nordens' - insbesondere die der Bundesrepublik - auf. Sie geben Einblick in die kontrovers und abseits der Medienöffentlichkeit geführte Diskussion innerhalb der realpolitischen Kräfte aus Verbänden, Parteien und Friedensforschung.

'Weltinnenpolitik vor Ort' - Zu diesem Band

Nach dem Kollaps der UdSSR und ihres "Blocks" und dem Ende der bipolaren Weltordnung erklärte George Bush anläßlich des Golfkriegs von 1991 für die verbleibende Supermacht: Die Welt müsse jetzt die Situation nutzen, um "die langgehegte Hoffnung" auf eine solche "Weltordnung zu erfüllen, in der Brutalität nicht zum Ziel" führe "und Aggression auf kollektiven Widerstand" stoße. Dem Anspruch der diesen Krieg anführenden Industrienationen nach, sollte gegen jeden "Diktator oder Despoten" eine "Warnung für die Zukunft" 'kriegerisch' zum Ausdruck gebracht werden, wobei - so Bush - 'nur' "selektive Gewalt zu selektiven Zwecken" angewandt werden dürfe. Wie deutlich zu erkennen ist, kehrt hier die altbekannte Strategie der Abschreckung - der "flexible response" - in neuem Gewand wieder. Was die friedens-realpolitischen Kräfte auch in Deutschland schon damals als vollständig utopisch erkannten, wird inzwischen sowohl medienöffentlich wie auch in den Papieren der Hardthöhe eingeräumt: das "Scheitern einer 'neuen Weltordnung'".[1]Allerdings ist ihr Kernstück bis heute erhalten geblieben: Die Vorstellung, man könne die weltweit zunehmenden Konflikte durch den selektiven Einsatz von Kampftruppen 'in den Griff' bekommen. Dieser Ideologie folgend, haben die Staaten der sieben führenden Industriestaaten (G7) - insbesondere auch Deutschland - die Umstrukturierung ihrer Armeen und die Umorientierung ihrer Außen- und Sicherheitspolitik in den letzten Jahren massiv vorangetrieben. Wohin dabei der 'neue Blick' gerichtet ist, hat zuletzt Generalinspekteur Klaus Naumann in einer Art Grundsatzrede zur deutschen Sicherheitspolitik erklärt: Die "Bedrohungsachse" der NATO und damit auch Deutschlands habe "sich nach 1989 gedreht, von Osten nach Süden".[2]Inhaltlich zeigt sich die Bedrohung 'aus dem Süden' nicht in erster Linie als eine militärische, sondern als eine von Faktoren wie Ökologie und Migration bestimmte. Letztere hat vor allem in Deutschland dazu geführt, daß bei Asyl- und Flüchtlingsfragen von der "administrative(n) Bewältigung des Ansturms zu Hause" (Klaus Kinkel) die Rede ist. Die 'Flüchtlingströme' sollen einerseits quasi-militärisch an den Grenzen 'abgewehrt' werden (vgl. die Vorschläge von Wolfgang Schäuble und anderen), andererseits zugleich aber auch durch den punktuellen Einsatz 'vor Ort', der die 'heransströmenden Massen' gar nicht erst bis an die Grenzen der "Inseln der Glückseligkeit" (Klaus Kinkel) herankommen lasse. In dieser Logik erscheint jeder Flüchtling als eine auch militärische Bedrohung und somit als ursächlicher Faktor der militärpolitischen Umorientierung.

Mit diesem Begründungszusammenhang werden auf das Engste ökonomische Faktoren verquickt, denn "es sind ja nicht nur ins dumpfe Elend gesunkene Massen, die sich nach Westeuropa auf den Weg machen, sondern zehntausende höchst beweglicher Individuen, die ihre Chancen kalkulieren"(Frankfurter Allgemeine Zeitung, 2.8.1993). Die so zu einer bedrohlichen Masse angehäuften Flüchtlinge werden - 'bei uns angekommen' - medienöffentlich zu 'Schmarotzern' und 'Überfremdern'. Sie werden so zugleich nahtlos an jene Debatte angliedert, die sich seit 1989 als Suche nach der deutschen Identität gibt, bei der aber vor allem nach dem Nicht-Deutschen gesucht wird. So bekommen in letzter Konsequenz auch die 'Brandstifter' von der medienpolitischen Klasse eine Legitimation für ihr Handeln geliefert, ein Handeln, daß dann zum 'bloß blutigen Ausdruck' einer Zurwehrsetzung gegen das wird, was "unser Volk nicht mehr verkraften" könne.

Fragt man nach den Mitteln, die militärpolitische Planer gegen das von ihnen konstatierte Bedrohungsgefüge einsetzen, so steht ganz oben auf der Liste favorisierter Maßnahmen der Aufbau und Einsatz "Schneller Eingreiftruppen", die - in den verschiedensten Mini-Kollektiven zusammengefaßt - ganz unterschiedlichen Komandostrukturen unterstehen sollen. Welche Rolle die UNO bei der Bereitstellung und Kontrolle dieser Truppenverbände einnehmen wird, ist zur Gänze noch unabsehbar, aber durch die in diesem Band dargestellten Entwicklungsprozesse in seiner Tendenz deutlich zu erkennen.

In Deutschland ist die Idee zur Bereitstellung 'multinationaler' Truppenverbände keinesweges neu. Gab es doch schon lange vor 1989 - trotz eines über Jahrzente hin andauernden Konsenses, die Einbindung der Bundeswehr in solche Truppen und schon gar deren Einsatz abzulehnen - wiederholt vorgebrachte Forderungen nach einer Beteiligung von Einheiten der Bundeswehr an Kriegseinsätzen. Damals allerdings auch verbunden mit einer permanenten 'Präsenz vor Ort'. So hätte Alfred Dregger, als er 1980 die Einrichtung von Stützpunkten des Westens in der Dritten Welt forderte, es wahrscheinlich kaum zu hoffen gewagt, daß durch die jetzt aufgestellten 'schnellen Eingreiftruppen' ein Instrumentarium bereit steht, das 'operative Basen' und 'Stützpunkte' nicht mehr nötig macht, da in den militärpolitischen Planungen vor allem 'chirurgisch saubere' und 'ad hoc' ausführbare 'Eingriffe vor Ort' beabsichtigt sind. Nur daß sich dort - wie auch in allen analogen Fällen - der 'saubere Eingriff' als 'blutiger' entpuppt, wofür Somalia als Beispiel dienen kann. Daß die G7-Staaten - und so auch Deutschland - bei den angestrebten Einsätzen im 'Süden' mit großer 'Sicherheit' auf ihre eigenen Waffen stoßen werden, kann durch die zunehmende 'Harmonisierung' des Exports von Rüstungsgütern als sicher gelten. So gehörte es zu den ersten Maßnahmen des wiedervereinigten Deutschlands, mit seiner immer wieder konstatierten 'neuen weltpolitischen Rolle und Verantwortung', einen Spitzenplatz im Rüstungsexportgeschäft einzunehmen. Diese 'neue Verantwortung' wird von der Bonner politischen Klasse medienöffentlich als auf humanitären Grundsätzen basierend präsentiert: "Im Mittelpunkt auch unserer Außenpolitik (...) steht der Mensch mit seiner Würde. Glaubwürdigkeit und Akzeptanz unserer Außenpolitik hängen wesentlich von unserem Engagement für die Menschenrechte ab", erklärte Klaus Kinkel in einer Art Grundsatzmanifest zur deutschen Außenpolitik im März 1993 (FAZ, 19.3.1993). Doch ganz im Gegensatz dazu hat die Lieferung von Kriegsmaterial an Indonesien einmal mehr verdeutlicht, daß es keineswegs die Würde der Opfer von Menschenrechtsverletzungen ist, welche im 'Mittelpunkt' steht. In der Vorbereitung des Somalia-Einsatzes der Bundeswehr war es besonders die Betonung dieser Form von 'Humanität', bei der die Bundeswehr medienöffentlich im Helfergewand eines 'Engels der Geschichte' erschien. Inzwischen haben die 'Psychologen' der Hardthöhe in ihrer großangelegten Werbekampagne dem "JA - Helfen" noch einige Beschwörungsformeln aus der militärhistorischen Kiste zur 'mentalen Kriegsvorbereitung' hinzugefügt. Der "Weg zur nationalen Normaltät", - das wird jetzt unverblümter denn je betont, meint vor allem eine "Rehabilitierung auch der militärischen Macht"[3]mit all ihren Risiken.

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