Irit Neidhardt (Hg.) Mit dem Konflikt leben!?

Irit Neidhardt (Hg.) Mit dem Konflikt leben!?
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Israel und Palästina stehen kontinuierlich im Rampenlicht, das Interesse an... mehr
"Irit Neidhardt (Hg.) Mit dem Konflikt leben!?"

Israel und Palästina stehen kontinuierlich im Rampenlicht, das Interesse an Auseinandersetzung sowie die Berichterstattung sind gerade seit Beginn der zweiten Intifada beträchtlich und vielfältig. Hintergrundinformationen von Menschen, die mit dem Konflikt leben bleiben jedoch oft rar. In diesem Sammelband kommen Linke aus Israel und Palästina zu Wort und beleuchten die Themen, die hinter dem Konflikt stehen. Sie geben einen Einblick in ihre Inhalte und Auseinandersetzungen und schließen eine Lücke in der hiesigen Berichterstattung.
Rezensionen:

"Jenseits der einfachen Wahrheiten
... Spannend sind nicht nur die unterschiedlichen Perspektiven, sondern auch die Schnittmengen unter ihnen, etwa die feministischen Allianzen palästinensischer und jüdischer Frauen in Israel, oder Misrahim, die ihre 'Enteignung' mit der der Palästinenser vergleichen.
Was die Texte so authentisch macht, ist die Frage nach der eigenen Identität, die fast alle Autoren umtreibt. (...)"
Jüdische Allgemeine, Jüdische Literatur Sachbuch

"... das Buch eröffnet persönliche Perspektiven, die in dieser Form zumindest in Deutschland selten präsent sind. (...) Ihr Wert besteht in neune Einblicken und Denkanstößen, die weit über die tagespolitischen und diplomatischen Dimensionen des Konfliktes hinausgehen."
René Wildangel, Zentrum Moderner Orient, Berlin – in IPG 4/2004

Inamo - Informationsprojekt Naher und Mittlerer Osten - Beate Hinrichs

Die Entstehungsgeschichte des Buches ist bezeichnend: Herausgeberin Irit Neidhardt las in einer linken deutschen Wochenzeitschrift eine mehrteilige Serie über die zweite Intifada. Alle Artikel waren von deutschen Linken verfasst - aber fast niemand von ihnen war jemals in Israel oder Palästina gewesen. Irit Neidhardt bot der Zeitung Stimmen von Betroffenen an, aber sie paßten den Blattmachern nicht ins Konzept.
Dabei wäre natürlich genau diese Sachkenntnis bitter nötig; für eine sinnvolle Diskussion über den Nahostkonflikt ebenso wie für die Auseinandersetzung über den immer unverfrorener auftretenden Antisemitismus in Deutschland.
Um so erfreulicher ist es, daß Irit Neidhardt die abgelehnten Texte nun in dem vorliegenden Band veröffentlicht hat. Die Politologin und Kulturwissenschaftlerin ist prädestiniert, eine Lanze für Differenzierung und Versachlichung zu brechen: Nach mehreren Jahren im Nahen Osten hat sie zahlreiche israelische und palästinensische Filmfestivals organisiert und ein Buch über Antisemitismus in der deutschen Linken mitverfaßt.
„Mit dem Konflikt leben!?“ wagt etwas, das zur Zeit immer seltener, immer schwieriger und darum immer wichtiger wird: den Dialog. Das Spannende daran ist, daß ihn hier mehr als nur zwei Seiten führen. Zu Wort kommen aschkenasische (aus Europa stammende) jüdische Israelis, orientalische Jüdinnen (Mizrahim), Palästinenser und Palästinenserinnen mit israelischer Staatsangehörigkeit und arabische Bewohner von Westbank und Gaza. Zwischen Alltag und Analysen machen ihre Texte vor allem deutlich, wie groß die Unterschiede sind innerhalb der Bevölkerungsgruppen, die wir oft als homogen wahrnehmen oder die uns - aus welchen Gründen auch immer - als homogen präsentiert werden.
Ella Habiba Shohat beispielsweise, aus dem Irak stammende Jüdin und streitbare Professorin für Kulturelle und Frauenstudien an der New York City University, klagt den Zionismus als rassistische Unterdrückung aller nicht-europäischen Juden und Jüdinnen an, weil er nur die aschkenasische Kultur als die einzig wahre jüdische akzeptiere - eine Wertung, die sich in israelischen Medien, aber eben auch in der europäischen und US-amerikanischen Wahrnehmung spiegelt. Die orientalische Jüdin Anna Sherbany geht noch einen Schritt weiter; sie fühlt ihre Identität nicht angemessen geachtet, solange "Leiden als hierarchisierendes Attribut" verwendet wird. Die Debatte über Mizrahi-Kultur ist vergleichsweise jung; gerade kommt eine erste cineastische Umsetzung mit der Dokumentation „Forget Baghdad“ des im Irak geborenen Filmemachers Samir in die deutschen Kinos. Neben vier irakisch-jüdischen (Ex-)Kommunisten in Israel ist darin auch Ella Habiba Shohat zu hören und zu sehen. Sie kritisiert die Zerstörung der arabischen Identität der orientalischen Juden in Israel. Nachdem orientalische Juden erst zu „Araberhassern“ umerzogen worden seien, so Shohat, habe die Linke sie auch noch als bornierte Parteigänger des Likud diffamiert und zu Sündenböcken für das Scheitern des Friedensprozesses gestempelt.
Ha'aretz-Korrespondentin Amira Hass hingegen ist die politisch-ideologische Abqualifizierung des Zionismus als kolonialistisches Konzept zu platt. Sie, Tochter von rumänischen Holocaust-Überlebenden und die einzige jüdisch-israelische Journalistin, die in den Besetzten Gebieten lebt, schildert die tägliche Unterdrückung der Palästinenser aus eigener Anschauung. In ihren Augen hat gerade der Holocaust dazu geführt, daß „die zionistische Lösungsformel von den meisten Juden akzeptiert“ wurde.
Herbe Kritik üben Autoren und Autorinnen verschiedener Herkunft aber auch an der palästinensischen Führung, die sich bei Verhandlungen mit der israelischen Regierung politisch über den Tisch ziehen lasse und dies der eigenen Bevölkerung noch als Erfolg verkaufe, ebenso wie an den kommunalen Komitees, die die Palästinenser und Palästinenserinnen in Israel vertreten. Die Feministin und Friedensaktivistin Nabila Espanioly schließlich analysiert, wie palästinensische Frauen in Israel auch von ihrer eigenen Gesellschaft unterdrückt werden.

Spannend sind nicht nur die unterschiedlichen Perspektiven, sondern auch deren Schnittmengen: Die feministischen Allianzen palästinensischer und jüdischer Frauen in Israel; Mizrahim, die ihre „Enteignung“ mit der der Palästinenser vergleichen; Palästinenser und Palästinenserinnen, die aus Europa oder den USA in die Besetzten Gebiete heimgekehrt sind und Schuldgefühle gegenüber den noch im Exil Lebenden haben.
Ein krasses Beispiel für die unübersichtlichen nahöstlichen Realitäten ist die - wahre - Geschichte von David und Monther, die der palästinensische Filmemacher Subhi al-Zobaidi erzählt: Halbbrüder sind sie, der Jude und der Muslim, Söhne einer syrischen Jüdin, die in zweiter Ehe einen Palästinenser geheiratet hat. David lebt in einer jüdischen Siedlung in der Westbank, Monther in einem nahegelegenen Flüchtlingslager. Als der palästinensische Sicherheitsdienst beide festnimmt, weil er sie der Kollaboration mit dem israelischen Geheimdienst verdächtigt, kommt David frei, weil er sich entscheidet, fortan bei seiner Mutter im palästinensischen Flüchtlingslager zu bleiben.

Was die Texte so authentisch macht, ist die Frage nach der eigenen Identität, die fast alle Autoren und Autorinnen umtreibt. Würden die differenzierten Antworten wahrgenommen und respektiert - an den verhärteten Fronten in Israel und Palästina ebenso wie bei den Schwarz-Weiß-Malern hierzulande -, ließe das Hoffnung auf eine politische Lösung in Israel und Palästina aufkeimen. Für die Autoren dieses Bandes liegt ein Teil der Lösung darin, „Israel politisch und auch kulturell im Nahen Osten zu verorten“: Zum einen, weil die Bevölkerungsmehrheit aus dem Nahen Osten stammt; vor allem aber sehen sie darin eine unabdingbare Voraussetzung für einen Frieden.
Beate Hinrichs - inamo.de

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