Sebastian Ingenhoff Rubikon Novelle

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Rubikon Novelle »Unsere Waffe war das Wort, aber wenn du in der Dritten bist, da... mehr
"Sebastian Ingenhoff Rubikon Novelle"

Rubikon
Novelle


»Unsere Waffe war das Wort, aber wenn du in der Dritten bist, da hilft das Wort nun mal nicht viel. In der dritten Klasse wird relativ wortlos gekämpft.«

Deleuze, Foucault und drei dicke Freunde – die Welt aus der Sicht von achtjährigen Poststrukturalisten

Der Erzähler und seine beiden Freunde Lars und Lukacs sind frühreif und sensibel. Sie lesen Deleuze und unterhalten sich in Schlauberger-Sätzen, für die sie von ihren älteren Mitschülern unentwegt verprügelt werden. Ihr Leben ändert sich jedoch schlagartig, als sie ein Attentat auf den örtlichen Schlachthof verüben.

Formal ganz der klassischen Novelle verpflichtet, hat Sebastian Ingenhoff mit seinem erzählerischen Debüt ein amüsantes Paradox geschaffen: ein Kinderbuch, das gar keines ist. Von der Sprache und dem Sujet her hat man das Gefühl, sich in der Welt von »Der kleine Nick« zu befinden – und doch ist alles ganz anders. Hier nämlich geht es um Atheismus, Selbstbefriedigung, die Ziele der politischen Autonomen und das Freundschaftsideal eines Michel Foucault, vorgetragen aus der Perspektive von Kindern. Damit erzählt »Rubikon« auch von der Schwierigkeit, heute überhaupt noch Kind sein zu können, und den Abgründen, die sich auftun, wenn Kinder versuchen, allzu früh erwachsen zu werden.

»Ein Wellenbad des moralischen Pop-Diskurses.« (Linus Volkmann)

»Der Leser kommt aus dem Staunen nicht heil raus.« (Jens Friebe)


Die Presse

»(...) Revolte. Um die geht es hauptsächlich in dieser schönen Geschichte des jungen Kölner Debütanten. Eine intellektuelle Revolte, mit der man gar nicht früh genug anfangen kann.« (Cigdem Akyol in der taz)

»Voller Witz und postmodernem Einfallsreichtum schildert Sebastian Ingenhoff den weiteren Befreiungskampf seiner Protagonisten gegen Fleischesser, Schule und Dorf- Kleingeist, quasi jeder ›Satz ein Knaller‹, so wie es sich auch die drei tapsigen Poststrukturalisten für ihr weiteres Leben vorgenommen haben.« (Arno Raffeiner in Volltext)


Leseprobe

Es war das Jahr 1986. Wir ­waren acht Jahre alt, gerade in die dritte Klasse gekommen und Poststrukturalisten. Wir, das sind der dicke Lars, der Lukacs und ich. Einer kleinen Rotte unbedarfter Häschen gleich, hingen wir aufeinander, debattierten munter vor uns hin, hoppelten müßig umher und verschlangen Bücher. Die Bücher und wir – das war schon eine Freundschaft für sich. Selten sah man einen von uns ohne Buch in der Hand, ­zumindest im Ranzen hatten wir immer welche dabei. Ich meine natürlich nicht die in dritten Klassen gängigen Bestseller wie »Rabenschlau rechnen« oder »ABC Freunde«, sondern waschechte Bücher. Bücher, welche mit ihrer Strahlkraft bereits die große Welt verändert hatten. Bücher, die auch uns noch ihren Stempel aufdrücken sollten.

Das absolute Sahnebonbon war für uns glasklar der Deleuze, und ich glaube, das hatte auch viel damit zu tun, dass der so gerne über Schizophrene und Nomaden schrieb, denn da konnten wir uns alle drei doch sehr stark für
begeistern. Die Idee des Nomaden sollte unsere Weltsicht noch entscheidend prägen. Und der Schizo, das war auch so ein Ideal. Tagelang konnten wir uns in deleuzianischen Sätzen unterhalten, uns bis aufs Blut damit zerfleischen.
Jeder Satz ein Knaller, ein wahrer Schuss vor den Bug, das war unsere Maxime!

Sätze verschluckten wir geradezu, kauerten uns in ihnen zusammen wie in einem Baumhausversteck. Und es gab bei uns ja wenige, die sich in Sätzen zusammenkauerten oder darin Schutz suchten, die sich in das seltsame Paralleluniversum der Wörter flüchteten. Ich glaube im Nachhinein sogar, wir waren die Einzigen. Man muss schon sagen, dass die meisten bei uns an der Grundschule erhebliche Schwierigkeiten hatten, überhaupt auch nur einen geraden Satz zu formulieren, geschweige denn aus Büchern zu rezitieren. Die spielten fangen oder Fußball oder schlugen sich, aber Wörter blieben da doch eher Randerscheinungen. Der gemeine Grundschüler ließ in der Regel Taten sprechen, das war nun mal so. Eines Tages lassen wir auch mal Taten ­sprechen, dachten wir uns dann, aber richtige Taten, kein halbseidenes Zeug – richtige Taten, mit weltverändernden Konsequenzen. So dachten wir damals. Eines Tages hätten wir die Welt im Griff.

Die Leute betippten natürlich unentwegt ihre Stirn, wenn sie uns sahen oder reden hörten, aber das störte uns nicht. Wir hatten unsere ureigenen Codes, in denen wir miteinander kommunizierten, wie eine Geheimsprache, eine parallele Welt, aus der Nicht-Eingeweihte ausgeschlossen waren. Oder sich freiwillig selbst ausschlossen. Ich glaube, es waren im Endeffekt nicht wenige, die sich selbst und uns schon mal kategorisch ausschlossen, nicht nur aus Gründen der Sprache, da spielten auch andere Faktoren hinein.

Das mag den einen oder anderen zwar verwundern, aber ich kann mit Fug und Recht behaupten, dass wir zu jenem Zeitpunkt noch keine Könige waren. Unser Königsweg war ein langer und steiniger. Ein hindernisreicher Parcours, durch den wir uns vorsichtig, aber zielstrebig lavieren mussten. Zu jenem Zeitpunkt, da waren wir nur eine harmlose Bande von tapsigen Streunern, die in der weiten Prärie des Schulhofs wacker um ihren Fortbestand kämpfte. In der ewigen Wüste unseres kleinen überschaubaren Heimatdorfes. Die sich irgendwie durchsetzen musste gegen die Alphatiere und nicht selten den Kürzeren zog. Zumindest körperlich gesehen. Der Darwinismus war gerade zu einem der führenden Ismen befördert worden und verlachte uns mit außerordentlicher Bosheit.

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