Otto Rühle 1848 - Revolution in Deutschland

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"Otto Rühle 1848 - Revolution in Deutschland"

Klassiker der Sozialrevolte 2

"...ein lesbares Stück Geschichte:"
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Beschreibung der bürgerlichen Revolution in Deutschland aus dem Blickwinkel des rätekommunistischen Klassenkämpfers

Otto Rühle hat die Revolutionen Europas studiert, immer auf der Suche nach Ideen proletarischer Organisierung jenseits von Parteien und Staat. Seine Beschreibung der bürgerlichen Revolution in Deutschland aus dem Blickwinkel des rätekommunistischen Klassenkämpfers ist eines der wichtigsten Dokumente, das noch heute der deutsch-liberalen „Heldenverehrung“ entgegentritt.

aus dem Inhalt

Die Wirtschaftslage Deutschlands
Das Bürgertum
Heilige Allianz und Deutscher Bund
Vormärzliches Erwachen
Die religiöse Opposition
Die literarische Opposition
Die philosophische und politische Opposition
Marx und Engels
König und Borgeoisie
Bourgeoisie und Proletariat
Märzgewitter
Der 18. März in Berlin
Der Verrat der Bourgeoisie
Parlamente
Die deutsche Nationalversammlung
Gegenrevolution und Kriege
Wien vom März bis zum Oktober
Der Staatsstreich in Preußen
Verfassung und Kaiserposse
Verfassungskämpfe
Siegerin Reaktion

II. DAS REVOLUTIONÄRE EUROPA
IM 19. JAHRHUNDERT

Leseprobe

Märzgewitter
War die Julirevolution für Preußen-Deutschland nur ein fernes Donnerrollen am westlichen Horizont gewesen, so wirkte die Februarrevolution wie der Ausbruch des Gewitters selbst. Es war ein reinigendes und erfrischendes Gewitter, das über diesem von dicker Stickluft gelähmten, nach Freiheit dürstenden Volk niederging. Wie aus der Erde gewachsen, stand plötzlich die Revolution in voller Rüstung unter ihm.
In Süddeutschland, wo die politische Agitation lebhafter war als im Norden, wo noch aus der Vergangenheit engere Beziehungen zu den Überlieferungen der Großen Französischen Revolution bestanden und die demokratischen Ideen leichter Wurzel geschlagen hatten, gerieten mit einem Mal alle Throne ins Wanken, alle Zöpfe und Perücken in angstvoll zitternde Bewegung. Die liberale Bourgeoisie übernahm die Führung; Preßfreiheit, Geschworenengerichte, Vereins- und Versammlungsrecht, allgemeines Wahlrecht, Volksbewaffnung wurden die Losungen des Tages; in Adressen, Kundgebungen, Meetings sammelte sich die Forderung von Hunderttausenden in dem Ruf nach einer neuen Verfassung.
In Baden erzwangen die Massen unter Führung von Hecker und Struve die Entlassung reaktionärer Minister und Zusagen der Regierung, die auf Bewilligung der erhobenen Forderungen hinausliefen.
In Württemberg wurde der König auf gleiche Weise genötigt, ein liberales Märzministerium zu bilden. Die Standesherren, von den Bauern bedroht, schlugen die Ablösung der Feudallasten und eine Änderung der Jagdgesetze vor.
In Bayern hatte erst im Februar ein Krawall der von Jesuiten aufgehetzten Bierphilister die Verjagung der Tänzerin Lola Montez, einer Geliebten des Königs, die liberaler Neigungen verdächtig war, durchgesetzt. Nun blies der Wind von der anderen Seite. Die Maßkrüge wurden ein zweites Mal rebellisch, und da die verhaßte Lola noch immer in den Gehirnen spukte, mischte sich der Kampf für und gegen die Interessen der Reaktion in eins. Unter dem Schein der revolutionären Erhebung bekamen die Klerikalen, die an der Volkswut ihr Süppchen kochten, die Oberhand und der König dankte am 20. März 1848 ab. Gleichwohl ließ sich die Einführung liberaler Reformen nicht vermeiden – die Jesuiten rechneten damit, daß eine Zeit kommen würde, in der man sie wieder würde zurückziehen können. Zunächst wurde der Sieg auf bayerische Art gefeiert.
In Sachsen zeigte sich der König ziemlich hartnäckig. Er lehnte alle Forderungen ab, erklärte die Abschaffung der Zensur für den Ruin des Staates, vergoß ein paar Krokodilstränen und versprach schließlich die Einberufung des Landtags. Aber die Leipziger Liberalen unter Robert Blum, Biedermann und Arnold Ruge ließen nicht locker. Sie brachten durch ihr Vorgehen auch die Dresdner auf die Beine, es kam zu Tumulten und Straßenkämpfen. Endlich gab der König nach; die reaktionären Minister wurden entlassen, liberale Nachfolger hielten ihren Einzug.
Auch in Hannover bedurfte es erst eines starken Druckes, um den König zu bewegen, die Konzessionen zu machen, die unumgänglich geworden waren. In den kleineren Staaten verlief die Bewegung glatt. So winzig und unbedeutend, teilweise lächerlich uns heute die Märzaktionen erscheinen mögen – für die damalige Zeit, die eine jahrzehntelange Herrschaft der Knute und des Polizeistocks abschloß, und für ein so versklavtes, verschüchtertes und verprügeltes Volk wie es das deutsche war, bedeuteten die Märzstürme nichtsdestoweniger ein erstes Erwachen, ein mutiges Aufraffen, eine elementare politische Bewußtwerdung. Und damit den Anfang eines bewußten politischen Lebens.
Das gilt auch für die Wirkung des Märzgewitters in dem Völker- und Nationenmosaik des Habsburgerreiches. Hier hatte jahrelang die Hand Metternichs mit eiserner Schwere auf jeder atmenden Brust, jedem denkenden Hirn gelegen. Und unter ihr war alles Leben verdorrt, alle Freiheit erstorben, aller Wille zum Neuen versiegt. Selbst die Schreie des Jammers und der Verzweiflung waren nach und nach verstummt. Österreich war das europäische China geworden, das eine hohe Mauer von aller Welt, aller Kultur, aller Lebensgemeinschaft mit anderen Völkern abschloß. Ein verwunschenes Land, das einen tausendjährigen Schlaf zu schlafen schien.
Diese metternichsche Totengräberarbeit war nur dadurch möglich gewesen, daß fortgesetzt ein Landesteil gegen den anderen ausgespielt, eine Nation gegen die andere aufgeputscht, eine Klasse gegen die andere vorgeschickt worden war. Besonders hatte Metternich ausgezeichnet verstanden, sich der Großgrundbesitzer, die ihre Feudalprivilegien nicht verlieren wollten, gegen die Großfinanz zu bedienen, indem er ihre Willfährigkeit durch die Drohung, sich sonst der anderen Seite zuzuwenden, den stärksten Belastungsproben unterwarf. Auf der anderen Seite hatte er Großfinanz und Börse, die ihre Gelder nach 1815 in österreichischen Staatspapieren angelegt hatten, vollständig in seine Abhängigkeit gebracht durch die Drohung, andernfalls die ganze österreichische Scheinherrlichkeit in die Luft gehen zu lassen und Europa in eine ungeheure Finanzkatastrophe zu stürzen. Dank dieser politischen Taschenspielerkunst, die mit doppeltem Boden arbeitete, war es möglich, daß der Kaiser Ferdinand I. ein idiotischer Epileptiker, in aller Seelenruhe von diesem Regierungssysten sagen konnte: »Mich und den Metternich halt’s noch aus.«
In aller Stille freilich, trotz erstickendem Luft- und Lichtmangel und bleiernem Druck, war zwischen Junkertum und Börsentum noch eine andere Macht herangewachsen: eine industrielle und handeltreibende Bürgerklasse. »Die Einführung des Maschinenwesens und der Dampfkraft wälzte auch in Österreich, wie überall, die alten Verhältnisse und Lebensbedingungen ganzer Klassen der Gesellschaft um; sie verwandelte Hörige in freie Männer, Kleinbauern in Fabrikarbeiter; sie untergrub die alten feudalen Handwerkerkorporationen und raubte vielen die Möglichkeit des Fortbestehens. Die neue kommerzielle und industrielle Bevölkerung kam allenthalben in Kollision mit den alten feudalen Einrichtungen. Die Bourgeoisie, die durch ihre Geschäfte immer mehr veranlaßt wurde, ins Ausland zu reisen, importierte einige sagenhafte Kenntnisse von den zivilisierten Ländern, die jenseits der kaiserlichen Zollschranken lagen; und schließlich beschleunigte die Einführung der Eisenbahnen sowohl die industrielle wie die geistige Bewegung.« (Marx)

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